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Welche Auswirkungen hat die Insolvenz auf mein Arbeitsverhältnis?

Ist Ihr Arbeitgeber zahlungsunfähig oder überschuldet, wird ein sogenanntes Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses führt in der Regel ein Insolvenzverwalter durch. Seine Aufgabe ist es, das Vermögen des Insolvenzschuldners (also Ihres Arbeitgebers) zu verwalten und möglichst viel und gleichmäßig an die Gläubiger auszuschütten.

Die Insolvenz wirkt sich zunächst einmal nicht auf Ihr bestehendes Arbeitsverhältnis aus. Sie müssen weiterarbeiten und haben unverändert Anspruch auf Ihre Bezahlung. Allerdings tritt der Insolvenzverwalter rechtlich gesehen an die Stelle Ihres Arbeitgebers. Er entscheidet dann auch über mögliche Kündigungen.

Beim Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bleibt die Entscheidungsgewalt beim Arbeitgeber.

Kann mir aufgrund der Insolvenz gekündigt werden?

Auch in der Insolvenz des Arbeitgebers greifen zugunsten des Arbeitnehmers die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Danach darf der Arbeitgeber nur kündigen, wenn er einen rechtlich anerkannten Kündigungsgrund hat. Die Insolvenz selbst ist kein solcher Grund. Der Arbeitgeber kann aber möglicherweise aus betriebsbedingten Gründen kündigen.

Ob er dazu berechtigt ist, hängt im Wesentlichen von zwei Voraussetzungen ab:

Besteht ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Entlassung?

Durfte gerade diesem Arbeitnehmer gekündigt werden (sog. Sozialauswahl)?

Dringendes betriebliches Erfordernis

Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Entlassung liegt vor, wenn

- der konkrete Arbeitsplatz der gekündigten Person wegfällt,
- dieser Zustand dauerhaft ist und
- der Betroffene auf keiner vergleichbaren Stelle des Arbeitgebers beschäftigt werden kann.

Beispiel: Die Produktion wird dauerhaft heruntergefahren. Der Arbeitgeber benötigt daher weniger Arbeitskräfte. Es besteht auch keine Möglichkeit, die gekündigte Person an anderer Stelle im Betrieb einzusetzen.

Beispiel: Der gesamte Betrieb wird stillgelegt (was übrigens bei Weitem nicht in jeder Insolvenz der Fall ist).

Sozialauswahl

Auch wenn ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt, muss der Arbeitgeber bestimmte Kriterien bei der Entscheidung berücksichtigen, wen er entlässt. Unter allen vergleichbaren Mitarbeitern hat er diejenigen zu entlassen, die sozial am wenigsten schutzwürdig erscheinen. Maßgeblich für diese sog. Sozialauswahl sind die folgenden Kriterien:

- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten (z.B. gegenüber Kindern)
- Schwerbehinderung

Die Sozialauswahl muss für jeden Betrieb (= selbständig organisierte Teileinheit) einzeln getroffen werden, nicht für das Unternehmen insgesamt.

Beispiel: Das Unternehmen hat mehrere Filialen. Jede ist ein eigener Betrieb. In der Berliner Filiale arbeiten zehn Mitarbeiter, von denen zwei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt werden müssen. Bei der Sozialauswahl hat der Arbeitgeber aus den zehn Personen in Berlin auszuwählen, während die Mitarbeiter in der Hamburger Filiale keine Rolle spielen.

Die Sozialauswahl ist kompliziert. Arbeitgeber machen hier häufig Fehler. Dann lässt sich der Arbeitsplatz retten bzw. eine hohe Abfindung aushandeln.

Wird der gesamte Betrieb auf einmal stillgelegt, entfällt die Sozialauswahl.

Welche Kündigungserleichterungen hat mein Arbeitgeber?

Das Kündigungsschutzgesetz gilt zwar auch in der Insolvenz . Allerdings kommen dem Arbeitgeber Erleichterungen zugute.

Kürzere Kündigungsfrist

Die Kündigungsfrist beträgt im Insolvenzverfahren höchstens drei Monate zum Monatsende. Das kann beispielsweise Tarifbeschäftigte oder dienstalte Mitarbeiter mit langen Kündigungsfristen hart treffen (s. noch unten).

Interessensausgleich mit Namensliste

Der Insolvenzverwalter kann mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbaren (§ 125 InsO). Die Parteien können darin eine Namensliste mit den Personen erstellen, die gekündigt werden sollen. Die auf der Liste genannten Mitarbeiter haben dann nur noch einen verminderten Kündigungsschutz. Diese Möglichkeit besteht übrigens in ähnlicher Form auch sonst. In der Insolvenz ist sie aber besonders häufig.

Arbeitnehmer sollten ihre Kündigung prüfen lassen, selbst wenn sie namentlich im Interessenausgleich genannt sind. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass ihre Entlassung aus der Welt geschaffen oder eine (höhere) Abfindung ausgehandelt werden kann.

Beispiel: Der Arbeitnehmer genießt Sonderkündigungsschutz (z.B. Betriebsräte und Schwerbehinderte).

Beispiel: Der Betriebsrat wurde nicht oder fehlerhaft angehört.

Beispiel: Der Arbeitgeber hat die Massenentlassung der Arbeitsagentur nicht oder fehlerhaft angezeigt.

Kündigung mit gerichtlicher Prüfung

Der Insolvenzverwalter kann schließlich sogar Arbeitnehmer in einem sog. präventiven Kündigungsverfahren „herausklagen“, wenn

- in dem Betrieb kein Betriebsrat besteht oder
- aus anderen Gründen nicht innerhalb von drei Wochen ein Interessenausgleich zustande kommt.

Dabei legt der Insolvenzverwalter bereits erfolgte oder geplante betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitsgericht vor. Das Gericht entscheidet dann, ob hinsichtlich der genannten Personen ein ausreichender Kündigungsgrund vorliegt und ob die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt wurde (§ 126 InsO). Bejaht das Gericht beides, kann der gekündigte Arbeitnehmer diese Entscheidung grundsätzlich in einem späteren Kündigungsschutzprozess nicht mehr angreifen.

In Stein gemeißelt ist die Entlassung auch dann allerdings nicht: Die Gerichte prüfen die Kündigung aufs Neue, wenn sich die Sachlage nach der Vorabentscheidung noch einmal wesentlich verändert hat oder der Arbeitnehmer bisher nicht geprüfte Gründe vortragen kann, die die Kündigung unwirksam macht (s. auch unter b. genannte Beispiele).

Beispiel: Als schon alle Hoffnungen begraben sind, findet sich doch noch ein Käufer für das insolvente Unternehmen. Dies stellt eine wesentliche Änderung der Sachlage dar.

Welche Kündigungsfrist gilt und bekomme ich eine Entschädigung?

Normalerweise ist nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Länge der Kündigungsfrist davon abhängig, wie lange Sie bereits in dem Betrieb arbeiten. Im Fall der Insolvenz gelten jedoch spezielle Regeln: Gemäß § 113 InsO beträgt die Kündigungsfrist dann nur noch maximal drei Monate zum Monatsende. Gilt im Einzelfall eine kürzere Kündigungsfrist, bleibt es bei dieser Frist.

Beispiel: Die Arbeitnehmerin ist seit 20 Jahren im Betrieb tätig. Ihre gesetzliche Kündigungsfrist beträgt daher eigentlich sieben Monate zum Ende des Kalendermonats. Im Fall der Insolvenz verkürzt sich die Frist jedoch auf drei Monate zum Monatsende.

Beispiel: Der Arbeitnehmer ist dagegen erst seit zwei Jahren angestellt. Es gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Dabei bleibt es auch dann, wenn der Arbeitgeber insolvent wird.

Als Ausgleich für die verkürzte Kündigungsfrist können Arbeitnehmer den Lohn als Schadensersatz verlangen, den sie bekommen hätten, wenn der Arbeitgeber die normale Kündigungsfrist eingehalten hätte. Das ist jedoch ein schwacher Trost – der Arbeitgeber ist schließlich pleite. Arbeitnehmer müssen sich daher darauf einstellen, dass sie nur einen geringen Teil dieser Zahlung (in der Regel zwischen 2 und 10 Prozent) tatsächlich erhalten werden.

Habe ich Anspruch auf eine Abfindung bei Kündigung wegen Insolvenz?

Arbeitnehmer haben zwar nicht automatisch einen Anspruch auf Abfindung. Die Praxis zeigt aber, dass auch bei Kündigung wegen Insolvenz häufig Abfindungen gezahlt werden. Dazu kann es z.B. wie folgt kommen:

- Oft wird ein Sozialplan aufgestellt.Dies ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer infolge der Kündigung abmildern soll. In Sozialplänen werden häufig auch Abfindungen vereinbart. Wird der Sozialplan nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt, darf die Abfindung bis zu zweieinhalb Bruttomonatsverdienste pro betroffenen Arbeitnehmer betragen.

- Der Insolvenzverwalter bietet gelegentlich Aufhebungsverträge an, statt zu kündigen. Stimmt der Arbeitnehmer zu, endet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich. Im Gegenzug erhält der Arbeitnehmer in aller Regel eine Abfindung. Er sollte einen möglichst hohen Betrag aushandeln.

- Nicht selten handeln Arbeitgeber (bzw. Insolvenzverwalter) und Arbeitnehmer eine Abfindung vor Gericht aus. Im Gegenzug lässt der Arbeitnehmer seine Klage gegen die Entlassung fallen (Vergleich).

Allerdings ist Vorsicht geboten. Wird die Abfindung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrensvereinbart, handelt es sich um eine bloße Insolvenzforderung. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer wie alle anderen Gläubiger behandelt werden, denen ihr Arbeitgeber noch Geld schuldet. Da der Arbeitgeber aber wahrscheinlich nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, werden Arbeitnehmer vermutlich nur zwischen 2 und 10 Prozent des Abfindungsbetrags erhalten.

Beispiel: Der Arbeitgeber hat Schulden in Höhe von 10 Mio. Euro und ein Vermögen in Höhe von 1 Mio. Euro. Damit liegt die Insolvenzquote bei zehn Prozent. Daher erhalten die entlassenen Mitarbeiter (wie jeder andere Gläubiger auch) lediglich zehn Prozent ihrer Forderung.

Deutlich besser ist die Lage, wenn die Abfindung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (z.B. im Sozialplan oder einem Aufhebungsvertrag) zugesagt wird: In diesem Fall haben Arbeitnehmer gute Chancen, auch den vollen Betrag zu erhalten, weil ihr Anspruch dann Vorrang vor den Gläubigern ihres Arbeitgebers hat. Es handelt sich um eine sog. Masseverbindlichkeit.

Was soll ich tun, wenn der Arbeitgeber wegen Insolvenz kündigt?

Das Wichtigste bei einer Kündigung ist immer, dass Sie schnell handeln. Denn selbst wenn eine Kündigung eigentlich rechtswidrig ist, wird sie nach drei Wochen automatisch wirksam, falls Sie bis dahin nichts unternommen haben. Um dies zu verhindern, müssen Sie Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben.

Zudem sollten Sie sich bei der Bundesagentur für Arbeit (0800 - 4 55 55 00) arbeitslos melden, um Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld zu vermeiden, falls Ihre Kündigungsschutzklage keinen Erfolg haben sollte.

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