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1. Wann liegt ein eigenmächtiger Urlaubsantritt vor?

Es entspricht der Praxis, dass ein Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum Urlaub beantragt. Obwohl die gesetzliche Konstruktion der Urlaubsgewährung des § 7 BurlG dem Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs nur in engen Ausnahmefällen die Versagung des Urlaubs ermöglicht, darf der Arbeitnehmer den Urlaub nur antreten, wenn der Arbeitgeber ihn „gewährt“ oder die Gewährung durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt wird.

Lehnt der Arbeitgeber ab bzw. schweigt er und führt der Arbeitnehmer keine gerichtliche Entscheidung herbei, handelt es sich um einen eigenmächtigen Urlaubsantritt, wenn er dennoch in den Urlaub fährt.

Nicht anders ist es zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer seinen beantragten und genehmigten Urlaub einfach schuldhaft verlängert.

Beispiel: Dem Arbeitnehmer gefällt es am Urlaubsort so gut, dass er kurzerhand beschließt, ihn eine Woche länger zu genießen.

Beispiel: Die Rückreise des Arbeitnehmers scheitert an einem Vulkanausbruch (Erkrankung, Streik, Pandemie). Er kehrt erst mit einer Woche Verspätung zurück. Hier liegt kein schuldhaftes Handeln vor.

2. Ist eine Kündigung wegen eigenmächtigem Urlaubsantritt zulässig?

Der eigenmächtige Urlaubsantritt, der das Arbeitsverhältnis beeinträchtigt, hängt allein vom Willen des Arbeitnehmers ab. Es geht daher um eine verhaltensbedingte Kündigung, weil der Arbeitnehmer sein Verhalten steuern kann. Die im Urlaubsantritt liegende Pflichtverletzung muss aber so erheblich sein, dass eine störungsfreie Erfüllung des Vertrages durch den Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr zu erwarten ist.

Als Kündigungsgrund an sich ist der eigenmächtige Urlaubsantritt anerkannt (BAG, 20.5.2021 - 2 AZR 457/20; LAG Schleswig-Holstein, 6.11.2011 – 5 Sa 459/10).

3. Kann der Arbeitgeber fristlos kündigen?

Nach § 626 BGB setzt die außerordentliche (fristlose) Kündigung einen wichtigen Grund voraus. Er erfordert Tatsachen, auf deren Grundlage es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände und im Rahmen einer Interessenabwägung unzumutbar sein muss, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Der eigenmächtige, durch den Arbeitgeber nicht genehmigte Urlaubsantritt stellt einen solchen wichtigen Grund dar (BAG, 16.03.2000 – 2 AZR 75/99; BAG, 20.05.2021 - 2 AZR 457/20).

Dabei ist aber zu bedenken, dass die Kündigung nicht das Fehlverhalten sanktioniert, sondern Ausfluss einer Prognoseentscheidung des Arbeitgebers ist, ob das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft beeinträchtigt werden könnte. Im konkreten Einzelfall sind daher alle Umstände einzubeziehen, die für und gegen die Prognose sprechen.

Beispiel: Die Arbeitnehmerin beantragt wiederholt erfolglos Urlaub für den 26.04.2010. Einmal möchte sie ein langes Wochenende mit ihrem Freund in Hamburg verbringen. Beim nächsten Mal möchte sie sich bei der dortigen Agentur für Arbeit nach Arbeit erkundigen, weil ihr befristetes Arbeitsverhältnis in Kürze ausläuft. Nach der Ablehnung bleibt sie der Arbeit fern. Die fristlose Kündigung ist unwirksam, weil die Arbeitnehmerin gesetzlich zur Arbeitslosmeldung verpflichtet ist, keine gesetzlichen Verweigerungsgründe für die Arbeitgeberin bestanden und insbesondere keine Betriebsstörungen eintraten.

4. Muss der Arbeitgeber vorher abmahnen?

Da es sich um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt, ist vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung auszusprechen, um dem Arbeitnehmer sein vertragswidriges Verhalten vor Augen zu führen und ihn zu einer Verhaltensänderung zu veranlassen. Solange mildere Mittel auch zum Ziel führen, muss der Arbeitgeber sie wählen.

Ist die Pflichtverletzung jedoch so schwerwiegend, dass der Arbeitnehmer nicht ernsthaft annehmen konnte, dass der Arbeitgeber sie akzeptieren würde, ist eine Abmahnung nicht erforderlich.

Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, sollte stets im Einzelfall durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht geprüft werden, der auch die Erfolgsaussichten gut einschätzen kann.

Generell lässt sich jedoch feststellen, dass die Rechtsprechung beim eigenmächtigen Urlaubsantritt eine Abmahnung für entbehrlich hält. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber vorher deutlich gemacht hat, dass er das Fernbleiben nicht dulden würde.

5. Was kann der Arbeitnehmer der Kündigung entgegenhalten?

Wie bei jeder Kündigung, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei werden das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung und das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenübergestellt.

Während der Arbeitgeber hier auf

- Art und Umfang der betrieblichen Störungen und etwaiger Schäden,
- generalpräventive Aspekte (Betriebsdisziplin),
- Gefährdung anderer Arbeitnehmer oder Dritter,
- Verschuldensgrad und
- Wiederholungsgefahr

abstellt, kann sich der Arbeitnehmer auf

- Ursachen des Vertragsverstoßes,
- Verschulden,
- Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- vorangehend unbeanstandetes Verhalten,
- Lebensalter,
- Arbeitsmarktsituation und
- persönliche Folgen

berufen. Wenn er insoweit gute und überzeugende Gründe darlegt und beweist, kann ihm die Beseitigung der Kündigung gelingen. Immerhin soll die Versagung des Urlaubswunsches die gesetzliche Ausnahme bleiben.

6. Erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung?

Grundsätzlich besteht kein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung. Können jedoch die Grundlagen der Kündigung angezweifelt oder gar erschüttert werden oder hat der Arbeitnehmer bei der Interessenabwägung gute Argumente, stellt die Fortführung des Prozesses mit ungewissem Ausgang für den Arbeitgeber oft ein (zu) hohes wirtschaftliches Risiko dar. Es ist dann möglich, eine Abfindung auszuhandeln. Dabei ist Verhandlungsgeschick erforderlich, weshalb Sie sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen sollten.

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