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1. Was bedeutet Arbeitszeitbetrug?

Wenn Sie als Arbeitnehmer vortäuschen, während der Arbeitszeit zu arbeiten, in Wahrheit aber etwas anderes tun, spricht man von Arbeitszeitbetrug. Sie müssen dabei aktiv über die geleistete Arbeitszeit täuschen. Es reicht in der Regel nicht aus, dass Sie lediglich zu spät kommen oder früher gehen. Von Ausnahmen abgesehen liegt in einem solchen Fall kein Arbeitszeitbetrug, sondern nur ein Arbeitszeitverstoß (Achtung: Auch dieser kann arbeitsrechtliche Folgen haben! Das soll in diesem Beitrag aber nicht unser Thema sein.)

Beispiel für einen Arbeitszeitverstoß: Der Arbeitnehmer muss nach seinem Arbeitsvertrag von 8-17h arbeiten. Er verlässt jedoch das Büro schon gegen 16h und trägt das auch so in die Arbeitszeitübersicht ein.

Ein Arbeitszeitbetrug liegt etwa in folgenden Fällen vor:

- Der Arbeitnehmer schreibt seine Pausenzeiten nicht auf oder nimmt sich zusätzliche Pausen, die ihm nicht zustehen.

Beispiele: Der Arbeitnehmer trägt seine einstündige Mittagspause nicht ins Zeiterfassungssystem ein oder er macht alle zwei Stunden eine 10-minütige Zigarettenpause, ohne beim Verlassen des Gebäudes auszustechen.

- Der Arbeitnehmer widmet sich während der Arbeitszeit (am Arbeitsplatz oder außerhalb) privaten Tätigkeiten. Dabei kommt es aber u.U. auf die genaue Regelung im Arbeitsvertrag an.

Beispiele: Der Arbeitnehmer verbringt die Arbeitszeit zu einem guten Teil mit Onlineshopping und erzählt seinen Freunden am Telefon ausführlich von seinen Schnäppchen oder er erledigt während der Arbeitszeit Besorgungen in der Innenstadt.

- Der Arbeitnehmer manipuliert digitale oder analoge Zeiterfassungssysteme.

Beispiele: Der Arbeitnehmer trägt in das elektronische Arbeitszeiterfassungssystem stets ein paar Stunden mehr ein, um sich ein Polster an Überstunden zuzulegen. Oder er bittet seinen Kollegen, am nächsten Tag für ihn zu stechen, weil er endlich einmal ausschlafen will.

- Der Arbeitnehmer verändert nachträglich die Inhalte der Zeiterfassung.

Beispiel: Der Arbeitnehmer „korrigiert“ handschriftlich die ausgedruckte Zeiterfassungstabelle.

Neben solchen immer wieder vorkommenden Situationen gibt es auch einige Spezialfälle:

Home-Office

Auch im Home-Office haben Sie sich grundsätzlich an die festen Arbeitszeiten aus Ihrem Arbeitsvertrag zu halten, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Sie können also auch Zuhause außerhalb Ihrer Pausen nicht tun und lassen, was Sie möchten.

Vertrauensarbeitszeit

Bei der Vertrauensarbeitszeit dürfen Sie sich die Arbeitszeit frei einteilen. Ein Arbeitszeitbetrug liegt hier also nur dann vor, wenn Sie die vertraglich vereinbarte Stundenzahl pro Woche/Monat heimlich unterschreiten.

Bei alldem ist selbstverständlich zu beachten, dass nicht jede Unterbrechung der Arbeit für einige Minuten als Pause gilt. Daher können Sie sich auch während der Arbeitszeit etwas zu trinken aus der Küche holen oder auf die Toilette gehen, ohne dies bei der Arbeitszeiterfassung zu berücksichtigen. Nur wenn Sie diese kurzen Unterbrechungen extrem lange ausdehnen oder extrem häufig nehmen, könnte man an eine Pflichtverletzung denken.

2. Welche Folgen hat ein Arbeitszeitbetrug?

Es kommt auf den Einzelfall an, welche Maßnahmen der Arbeitgeber ergreifen kann.

Auch wenn es ein weitverbreitetes Phänomen ist: Arbeitszeitbetrug ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Im schlimmsten Fall ist eine fristlose Kündigung möglich. Ansonsten kommen eine ordentliche Kündigung oder zunächst nur eine Abmahnung in Betracht. In Extremfällen kann der Arbeitszeitbetrug auch einen Strafprozess nach sich ziehen.

a. Abmahnung

Eine Abmahnung ist in der Regel vor der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung erforderlich. Davon kann der Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen absehen. Dies ist etwa der Fall, wenn

- der Arbeitnehmer erkennbar nicht bereit ist, sein Verhalten zu ändern
- der Arbeitnehmer genau wusste, dass auf sein Verhalten eine Kündigung folgen wird
- das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber durch den Arbeitszeitbetrug nachhaltig zerstört wurde, etwa weil der Arbeitszeitbetrug für besonders lange Zeit oder in besonders großem Umfang geschah.

Dabei kommt es ganz auf den Einzelfall an:

Beispiel: Eine Arbeitnehmerin arbeitete seit fast 15 Jahren beim Arbeitgeber. Sie trug in einem Zeitraum von 10 Arbeitstagen in einem bestimmten Zeitraum insgesamt ca. 16 Stunden zu viel in die von ihr selbst geführte Arbeitszeiterfassung ein. Sie tat dies stets an den Tagen, an denen sie im Home-Office arbeitete. In ihrem Fall reichte dies für eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung aus (LAG Köln, Urt. v. 29.9.2014 – 2 Sa 181/14).

Beispiel: Eine Arbeitnehmerin arbeitete seit fast 20 Jahren beim Arbeitgeber. An zwei Tagen gab sie in der von ihr geführten Excel-Tabelle zur Arbeitszeiterfassung als Dienstende eine Zeit ein, zu der sie den Arbeitsplatz bereits seit einer Weile verlassen hatte. Insgesamt trug sie 1,5 Stunden zu viel ein. In ihrem Fall war die außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung unwirksam (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.3.2012 − 10 Sa 2272/11).

b. Außerordentliche Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis fristlos endet. Dafür muss ein wichtiger Grund vorliegen. Die Schwelle liegt hoch. An sich ist der Arbeitszeitbetrug ein ausreichend wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung.

Daneben kommt es aber auf eine Interessenabwägung im Einzelfall an. Folgende Kriterien sind dabei unter anderem zu berücksichtigen:

- Um welchen Zeitraum geht es? Handelt es sich um einen einzigen Vorfall oder eine monate-/jahrelange Praxis?
- Wie viele Mehrstunden hat der Arbeitnehmer eingetragen?
- Welcher wirtschaftliche Schaden ist dem Arbeitgeber dadurch entstanden?
- Ist der Arbeitnehmer bewusst vorgegangen?
- Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer besonderes Vertrauen (z.B. durch Vertrauensarbeitszeit) entgegengebracht?
- Hat der Arbeitnehmer gar technische Geräte manipuliert, z.B. Stechuhren?

In der Regel ist zuvor eine Abmahnung erforderlich, siehe oben. Erst wenn sich das Verhalten wiederholt, darf dann (fristlos) gekündigt werden. Auch hier zählt aber wieder die Interessenabwägung: Bei besonders schweren Verstößen darf der Arbeitgeber auch sofort fristlos kündigen.

Der Arbeitgeber muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen erklären, nachdem er vom Kündigungsgrund erfahren hat. Wartet er zu lange ab, kann er allenfalls noch ordentlich fristgerecht kündigen.

c. Ordentliche Kündigung

Die ordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis innerhalb der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist. Die gesetzlichen Kündigungsfristen finden sich in § 622 BGB. Auch für die ordentliche Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung erforderlich (siehe oben).

Die ordentliche Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs kommt insbesondere in Betracht, wenn

- kein besonders schwerer Arbeitszeitbetrug vorliegt und der Arbeitnehmer schon (mehrmals) abgemahnt wurde
- der Arbeitgeber zwar fristlos hätte kündigen können, mit dem Ausspruch der Kündigung aber zu lange abgewartet hat.

d. Strafverfolgung

Ein Arbeitszeitbetrug kann einen Betrug gem. § 263 StGB darstellen. Dazu müssen Sie als Arbeitnehmer den Vermögensschaden beim Arbeitgeber zumindest „billigend in Kauf genommen“ haben. Das bedeutet ungefähr, dass Sie diese Möglichkeit gesehen und sich mit ihr abgefunden haben. Wenn Sie also aus Versehen etwas bei der Arbeitszeiterfassung falsch machen, machen Sie sich nicht strafbar.

Der Betrug wird meist auch nur verfolgt, wenn der Arbeitgeber Strafanzeige gegen Sie erstattet. Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren wegen Geringwertigkeit des Schadens einstellen. Das wird beim Arbeitszeitbetrug häufig der Fall sein. Zudem müsste die Staatsanwaltschaft Ihnen vor Gericht die Betrugshandlung und den konkreten Schaden dadurch beweisen.

3. Wie kann mir der Arbeitgeber einen Arbeitszeitbetrug nachweisen?

Der Arbeitgeber muss Ihnen den Kündigungsgrund nachweisen können. Wenn er Ihnen nicht den tatsächlich begangenen Arbeitszeitbetrug nachweisen kann, besteht eventuell die Möglichkeit einer Verdachtskündigung.

Die Beweislage gestaltet sich beim Arbeitszeitbetrug oft nicht einfach, gerade wenn es Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit im Betrieb gibt. Daher muss der Arbeitgeber meistens mehrere Methoden kombinieren, um an Beweise zu gelangen. Er hat dazu grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten:

- Auswertung des Arbeitszeitkontos: Stechkarte, elektronisches Arbeitszeitkonto oder selbst geführte Kartei – zunächst kann der Arbeitgeber genau die Dokumentation der Arbeitszeit prüfen.
- Andere technische Mittel: Der Arbeitgeber kann etwa in Online-Datenbanken nachsehen, wer wann an welchem Dokument gearbeitet hat (LAG Köln, Urt. v. 29.9.2014 – 2 Sa 181/14).
- Kontrollanrufe: Gerade im Homeoffice greifen viele Arbeitgeber auf regelmäßige Textnachrichten und Anrufe zur Kontrolle der groben Einhaltung der Arbeitszeit zurück.
- Anhörung: Er kann mit Ihnen über die Vorwürfe reden und aus Ihrer Aussage seine Schlüsse ziehen.
- Privatdetektiv: Er könnte eine Detektei o.Ä. einschalten, um Sie auch außerhalb des Arbeitsplatzes beschatten zu lassen.
- Kollegen: Er kann Kollegen und Vorgesetzte zu ihren Beobachtungen befragen. Es wäre grundsätzlich auch denkbar, dass er sie bittet, Sie genauer im Blick zu behalten und ihm von eventuellen Verstößen gegen die Arbeitszeit zu berichten.
- Videoüberwachung: Es wäre möglich, dass der Arbeitgeber Videomaterial, z.B. von Überwachungskameras am Betriebseingang auswertet.

Aber Achtung: Sie haben Grundrechte - auch im Arbeitsverhältnis! Der Arbeitgeber muss den Datenschutz (z.B. die Europäische Datenschutzgrundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz) und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht beachten. Er darf Sie also nicht einfach so überwachen lassen, weder von Kollegen noch von einer Kamera oder anderen technischen Geräten/Programmen. So dürfen etwa sog. Keylogger grundsätzlich nicht ohne konkreten Verdacht eingesetzt werden (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.7.2017, 2 AZR 681/16). Diese Keylogger überwachen die Tastatureingaben eines Computers.

In Ausnahmefällen kann eine solche Überwachung jedoch in engen Grenzen gerechtfertigt sein. Dies wird nur selten der Fall sein. Vor allem darf überhaupt erst überwacht werden, wenn bereits ein gefestigter Verdacht für eine Straftat oder eine schwere Pflichtverletzung besteht. Eine enge präventive Überwachung ist also stets unzulässig.

Wenn der Arbeitgeber Sie rechtswidriger Weise überwacht hat, sind die so gewonnenen Beweise in der Regel vor Gericht nicht verwertbar. Zudem können Sie unter Umständen Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld vom Arbeitgeber verlangen.

4. Was soll ich tun, wenn mir wegen Arbeitszeitbetrug gekündigt wurde?

Sie haben nur drei Wochen Zeit, um sich gegen die Kündigung zu wehren! Daher sollten Sie sich so schnell wie möglich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. So erfahren Sie, ob in Ihrem Fall eine Kündigungsschutzklage sinnvoll ist oder Sie zumindest mit einer Abfindung rechnen können.

Insbesondere bei einer fristlosen Kündigung (ohne Abmahnung) stehen Ihre Erfolgsaussichten vor Gericht nicht schlecht. Oft lässt sie sich zumindest in eine fristgerechte Kündigung umwandeln, sodass Sie länger bezahlt werden.

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